Gestaltungswettbewerb Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“- Morde am Ort der Planungszentrale, Tiergartenstr. 4 in Berlin – 2012
Anlass und Ziel
In der Berliner Tiergartenstraße 4 befand sich ab April 1940 die Zentrale für die Organisation, die unter dem Decknamen „T 4“ – oder schlicht „Aktion“ – den Massenmord an Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten im Deutschen Reich initiierte, koordinierte und durchführte. Über 70.000 Menschen fielen ihm zum Opfer, bis die Aktion am 24. August 1941 aufgrund öffentlicher Unruhe unterbrochen wurde. Das Morden begann bereits mit Kriegsbeginn im September 1939 und wurde nach dem August 1941 und mit dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 im gesamten Deutschen Reich und in vielen besetzten Gebieten, insbesondere im Osten, fortgesetzt. Die Erfassung, Selektion und Tötung der Anstaltspatienten war die erste zentral organisierte und systematische Massenvernichtung von Menschen durch die Nationalsozialisten. Dabei stellt „T 4“ nur einen Teilkomplex des Gesamtverbrechens gegen Anstaltsbewohner dar. Die Forschung geht derzeit von insgesamt 300.000 Opfern des sogenannten Euthanasie Programms in Europa aus. (…)
Bei Entwurf, Konzeption, Planung und Umsetzung des Gedenk- und Informationsortes ist zu berücksichtigen, dass:
- in künstlerisch zeitgenössischer Gestaltung ein würdiger Gedenkort entsteht
- der historische Ort sichtbar wird
- über die nationalsozialistischen Krankenmorde, Zwangssterilisationen und andere damit zusammenhängende Verbrechen informiert und aufgeklärt wird
- die Opfer des Krankenmordes mit ihren individuellen Lebensgeschichten gewürdigt und in der öffentliche Erinnerungskultur verankert werden
- die Biographien der Täter, ihre Beteiligung am „Euthanasie“- Mordprogramm und ihre individuellen Entwicklungen nach 1945 dargestellt werden
- auf bereits bestehende nationale und europäische Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen verwiesen wird.
Wettbewerbsaufgabe
Für den Gedenk- und Informationsort wird eine Gestaltungskonzeption erwartet, die seiner nationalen Bedeutung im zeitgenössischen Gedenkkontext gerecht wird. Am ehemaligen Ort der Täter soll in würdiger Form der Opfer gedacht werden. Die wesentlichen Informationen von der Entstehungsgeschichte bis zu den heute andauernden Nachwirkungen der nationalsozialistischen „Erbgesundheits“-Politik und der Krankenmorde sollen angemessen vermittelt werden.
Ziel ist es, durch die künstlerische Gestaltung des Ortes vielfältige Ansätze zur gedanklichen und emotionalen Auseinandersetzung mit der Gesamtthematik zu schaffen, die auch für nachfolgende Generationen erfahrbar bleiben soll.
Die Adresse Tiergartenstraße 4 soll wieder kenntlich gemacht und in die künstlerische Auseinandersetzung mit der historischen Identität des Ortes eingebunden werden.
Die am Ort selbst zu vermittelnden Informationen sind Teil eines komplexen Erinnerungs- und Vermittlungszusammenhangs. Daher sind konzeptionelle Lösungen in einem dem öffentlichen Raum angemessenen Umfang der Dokumentation auch in medialer Form zu erarbeiten, um bewusst werden zu lassen, welches Ausmaß nationalsozialistischer Verbrechen von diesem Ort der Täter ausgegangen ist.
Die vorhandene, in den Boden eingelassene Gedenktafel, mit der seit 1989 an die „vergessenen Opfer“ erinnert wird, ist in das Entwurfskonzept zum Gedenk- und Informationsort konzeptionell zu integrieren. (…)

Vor dem Hintergrund der Gesamtthematik des Gedenk- und Informationsortes ist in jeder Hinsicht ein barrierefreier Zugang zur öffentlichen Informationsvermittlung mit dem Ziel der Inklusion von Menschen mit Behinderungen von grundlegender Bedeutung