Skulpturen in einem privaten Park in Vence/Fr
Mit Linien modellieren

Für die Mehrzahl der Menschen ist der visuelle Sinn der universellste Zugang zur Welt. (Ob dies immer und überall so war, sei dahingestellt).
Das Auge ist in einiger Hinsicht geradezu ein ideales Wahrnehmungsinstrument weil es Objekte gleichzeitig mit ihrer Position im Raum und ihrer Relation zu einander und aus unterschiedlichen Distanzen sehen kann. Weil Dinge gesehen werden können denen wir nicht nahe kommen können, wie etwa glühender Lava oder einem Stern am Himmel.
Die visuelle Wahrnehmung ist allerdings mittelbarer als beispielsweise der taktile Sinn und in besonderem Maße von der nachfolgenden mentalen Interpretation des Gesehenen abhängig.
Über Licht und Schatten wird die Oberflächenmodellierung erfasst und zusätzliche Information über die Transparenz und Transluzenz der Objekte generiert.
Für die Identifikation von Volumina werden die visuellen Daten von zwei Augen miteinander verglichen und ein Tiefenbild erstellt.
Zur Strukturierung und zur Differenzierung der Objekte in sich und untereinander sind zunächst die Farben, das heißt die von Objekt reflektierten Lichtwellen wichtig.
Alle visuellen Wahrnehmungsformen sind aber letztlich Oberflächenbeschreibungen, die einen Körper in seiner Gesamtheit aus der Ansichtsseite und damit aus einer Projektion ableiten müssen.
Für diese Beschreibung ist die Silhouette bzw. der Schattenriss des Betrachtungsgegenstandes ein Instrument für eine schnelle Identifikation der Objekte.
Die Umrisslinie ist eine zweidimensionale Linie, die entsprechend abhängig von der spezifischen Position des Betrachters die äußere Kante einer Fläche beschreibt.
Die gängige Version dieser Umrisslinien ist der Schattenriss als Papierschnitt wie er sich häufig im Poesiealbum des 19. Jahrhunderts darstellt.
Für die Beschreibung der Körperlichkeit ist der Schattenriss nicht wirklich brauchbar. Schon eine geringfügige Drehung aus der Ansichtsachse offenbart den zweidimensionalen Charakter der Fläche und verzerrt die Darstellung. Je weiter sich das betrachtende Auge aus dieser Achsenstellung entfernt verformt sich das Objekt sukzessive bis zur Unkenntlichkeit.
Ganz im Gegensatz hierzu sind Konturlinien der Ausdruck eines komplexen skulpturalen Verfahrens das der Körperlichkeit des Objektes folgt und in seiner Konkretion vom Betrachter unabhängig ist.
Diese Linien sind KEINE Silhouetten, denn eine Silhouette oder Schattenriss ist eine zweidimensionale Darstellung die immer vom Standpunkt des Auges des Betrachters abhängig ist.
Der Schattenriss ist damit – streng genommen – auch immer das Ergebnis einer räumlichen Perspektive.
Oberflächenlinen sind hiervon völlig unabhängig.
